Das wächst sich aus - oder auch nicht...

Und noch viele andere Aussagen hört man häufig, wenn es um ADHS im Erwachsenenalter geht. ADHS ist nicht etwas, das einfach verschwindet oder das man „heilen“ kann (oder soll), das ist wissenschaftlich und auch neurobiologisch belegbar (auch wenn immer wieder da und dort das Gegenteil behauptet wird). Aber mit dem Erwachsen werden verändert sich viel: Einerseits im Gehirn selbst, anderseits auch in der Umgebung eines Menschen, so dass gewisse äusserliche Auffälligkeiten einer ADHS, wie zum Beispiel die körperliche Unruhe, im Erwachsenenalter besser kontrolliert werden können.

 

Spricht man mit erwachsenen Betroffenen, hört man häufig folgende Aussagen:

  • „Nie komme ich zur Ruhe. Ich fühle mich immer gehetzt und getrieben.“
  • „Ich habe immer so ein Chaos im Kopf. Ein Feuerwerk, das ich nicht abstellen und nicht kontrollieren kann. Meine Gedanken überrennen mich. Nie ist Ruhe im Kopf.“
  • „Wenn ich im Stau stehe oder mir auf der Autobahn einer vor die Nase fährt, drehe ich durch! Das macht mich so aggressiv!“
  •  „Einfachste Dinge gelingen mir nicht; ich bringe praktisch nichts zu Ende, beginne dauernd ganz begeistert Neues und am Schluss ist alles nur angefangen...“
  •  „Ich schlafe schlecht.“
  •  „Ich kann mich für nichts aufraffen, ich fühle mich antriebslos.“
  •  „Ich bin extrem schnell gereizt und wütend. Mit meinen Kindern bin ich so ungeduldig, auch wenn ich das gar nicht möchte.“
  •  „Schon als Kind fühlte ich mich fremd und anders. Ich hatte schon immer das Gefühl, auf dem falschen Planeten gelandet zu sein.“
  •  „Ungerechtigkeiten bringen mich heute noch extrem auf die Palme.“
  •  „Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt; das kann innert Minuten wechseln. Und ist für mich und meine Partnerin/meinen Partner extrem anstrengend.“
  •  „Ich schaffe es nie, meine Dinge in Ordnung zu halten und habe schon x Systeme ausprobiert. Nichts funktioniert.“
  •  „Ich bin extrem begeisterungsfähig und kann dann stundenlang in etwas versinken. Genauso schnell kann die Begeisterung aber wieder vorbei sein.“
  •  „Zeitplanung? Dass ich nicht lache. Ich bin immer am Hetzen und eh zu spät.“
  • „Ich mag Situationen, in denen der Puls hochgeht. Dann werde ich ganz ruhig und hochkonzentriert. Deshalb habe ich ... (dieses Hobby, diesen Beruf) gewählt.“
  •  „Wenn ich Sport mache, geht es mir gut. Aber wenn ich mal keine Zeit dafür finde, bin ich wie auf Entzug.“
  • „Viele Dinge langweilen mich oder gehen mir einfach zu langsam. Das war schon in der Schule so.“

 Durch solche Aussagen wird schnell deutlich, dass auch erwachsene Menschen unter einer (unerkannten) ADHS leiden und unter Umständen schwer eingeschränkt sein können. Eine unerkannte ADHS kann „Folgekrankheiten“ (Komorbiditäten) mit sich bringen wie z.B. Depressionen, Schlafstörungen, Burnouts usw. Häufig werden diese als eigenständige Symptomatik behandelt; wird aber nicht erkannt, dass dahinter eine ADHS steht, kann daraus eine lange Odyssee entstehen...


Menschen mit einer ADHS haben aber auch ganz ganz viele Stärken;

  •  In beraterischen, sozialen Berufen wird ihre grosse Feinfühligkeit und Sensibilität sehr geschätzt.
  •  Durch die Lust und Freude an viel Aktivität bringen sie für handwerkliche Berufe, aber auch für Berufsfelder, in denen viel „Action“ und Abwechslung angesagt ist meist viel Talent mit (Koch/Köchin, LehrerIn, MaurerIn, StrassenbauerIn, LandschaftsgärtnerIn usw.).
  • Menschen mit ADHS können andere Menschen mit ihrer mitreissenden Art unglaublich gut für etwas begeistern.
  • Häufig engagieren sie sich mit grossem Einsatz für eine Sache, die sie überzeugt und werden auch aufgrund ihres meist äusserst breiten Wissens geschätzt.
  • Durch ihre andere Art des Denkens können sie in einem Team die antreibende Kraft für kreative und innovative Denkanstösse sein.
  •  ...

Häufig wird eine ADHS im Erwachsenenalter erst sehr spät entdeckt, da nach wie vor auch von Fachpersonen viel zu selten in diese Richtung gedacht wird. Immer wieder passiert es, dass Eltern sich zu informieren beginnen, nachdem ein Kind von ihnen die Diagnose ADHS bekommen hat, und sich plötzlich mit der Frage konfrontiert sehen: „Und was ist eigentlich mit mir?“.

Besteht dann ein Leidensdruck im persönlichen oder beruflichen Umfeld, empfehle ich eine Abklärung bei einer spezialisierten Fachperson. Eine gute Abklärung kann vieles erklären und dann auch erleichtern: Je nach individueller Situation kann mit einer Psychoedukation, einem angepassten Coaching und eventuell mit einer Medikation viel verändert und erleichtert werden. Ziel einer angepassten Therapie ist es, dass Betroffene neue Strategien erlernen, damit ihr Alltag entspannter und einfacher wird und damit sie ihre Stärken und positiven Eigenschaften auch nutzen können.

 

Mehr Informationen, Adressen und Angebote findet man bei www.adhs20plus.ch

  

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