Der Versuch einer Rezension
Ich habe mir vorgenommen, das Buch „Clever lernen“ etwas genauer anzuschauen. Einerseits, weil es mich persönlich interessiert und anderseits, um meiner jugendlichen Klientel im Lerncoaching vielleicht ein gutes Buch empfehlen zu können, schliesslich hat sich dieses Buch ja die Jugendlichen als primäres Zielpublikum auserkoren.
Na dann, mal los:
Hmmmm. Ich mag keine Bücher, die einem das Blaue vom Himmel versprechen. Solche Bücher stelle ich grundsätzlich schnell zurück ins Bücherregal. Denn ans Christkind glaube ich genau so wenig wie an den grossen Zauberstab, der dann aus solch einem Buch rausspringt und alles wird einfach und locker und MACHT SOGAR SPASS!! (Verziehdasgesichtsmiley).
Und wenn ich den Klappentext von „Clever lernen“ lese, dann müsste ich zusätzlich auch noch an den Osterhasen glauben… Nun ja. Aber offenbar hat man ja Grundsätze, um sie immer mal wieder mit Schwung über den Haufen zu werfen. Statt „Clever lernen“ also zurückzustellen, drehte ich es um und…
oh Schreck… ich mag erst recht keine Bücher, die sich anbiedern wollen bei den Jugendlichen. So nach dem Motto „Hey, dieses Buch ist voll anders und easy und cool und so“. Und auf den ersten Blick fällt das Titelbild genau in diese Kategorie bei mir. Aber irgendetwas liess mich
innehalten. Vielleicht der sachliche, kurze Titel? Ach zum Kuckuck. Das fängt ja schon mal gut. Also öffnen statt wegstellen. Und dann war's leider passiert (es lohnt sich eben tatsächlich, seine Grundsätze auch mal Grundsätze sein zu lassen): Denn die Widmung von Fabian Grolimund ganz vorne im Buch hat mich gleich sehr berührt (nein, alleswird hier dann doch nicht verraten!) und schon war ich beim Inhaltsverzeichnis: übersichtliche, einladende Titel, lesefreundliche Gestaltung. Also noch einmal umgeblättert und los geht’s mit
!!!WOW!!!
Da hat es einfach mal PLATZ auf einer Buchseite, in wunderbar grosser Schrift und anständi-gem Zeilenabstand ruhen die Augen und… ja und was? Ich weiss nicht. Es ist einfach nicht das,
was ich von einem extrem schlauen Ratgeber erwarte. Und von einem Taschenbuch schon gar nicht. Da ist nämlich immer alles ganz klein und
gequetscht und eng und vollgeschrieben und überhaupt ist mir das eigentlich egal, weil ich locker und gut und schnell lese, aber trotzdem scheint es anstrengend zu sein, sonst wäre es jetzt ja
nicht so angenehm, ich bin also wirklich sehr überrascht über diesen Effekt und auf jeden
Fall ist es wie URLAUB für Augen und Hirn. WUNDERBAR. Viel besser als schon im zweiten Satz des Vorworts mit Bildern als Pseudo-Easy-Lesen-Lockmittel um sich zu werfen, wie das solche Bücher
häufig tun.
Okay. Die Illustration kommt dann eine Seite später. Aber sie ist echt gut. Und ja, es hat auch so ein paar Lockmittel-Sätze für die Jugendlichen drin. Aber nicht allzu plump, ich musste sogar etwas schmunzeln.
Und schon steht man vor dem ersten Kapitel: „Hol dir das Beste aus diesem Buch heraus“.
Kurz und knackig, angenehm zu lesen (ohne weitere Zeichnung) und nützlich: So kann man dieses Buch unterschiedlich nutzen, ein paar Beispiele und ab zum nächsten Titel:
„Lass dir nicht vorschreiben, wo du am besten lernst“. Hui, jetzt wird’s spannend, denn dieses Thema kommt bei mir im Coaching meist sehr schnell auf den Tisch, wenn ich mit den Jugendlichen das erste Gespräch führe: „An meinem öden Schreibtisch kann ich unmöglich lernen!“. Aus der Sicht der Eltern klingt es meist etwas anders: „Er liegt immer auf dem Bett! So kann man ja nicht lernen!“
Mit einem Grinsen auf den Stockzähnen wird man in eine Szene entführt, die vielen wohl allzu bekannt vorkommen wird: Einrichtung des „Lernplatzes“ für den Jugendlichen. Man steht in einem Möbelhaus, der Teenie langweilt sich, die Eltern haben ihre so ganz eigene Vorstellung von einem Pult und dem passenden Stuhl und dann stehen diese tollen Dinge alle irgendwann im Zimmer des Teens. Unbenutzt:
„Wenn Miriam sich nämlich an ihren „perfekten“ Arbeitsplatz setzt, schläft ihr das Gesicht ein. Sie wird müde, bekommt schlechte Laune und rutscht unruhig auf ihrem wirbelsäulenfreundlichen Bürostuhl herum.“ (S. 17)
Darauf folgt eine benutzerfreundliche Anleitung, wie man für sich herausfindet, wo man am besten lernen kann. Wer möchte, kann gleich im Buch ankreuzen und so herausfinden, welche Lernorte einem zusagen.
Und weiter geht’s mit dem nächsten Dauerbrenner: „Jetzt schalt die Musik aus!“
Tja, was soll ich sagen: Völlig klar wird für die Jugendlichen dargestellt, was bei Lernen&Musik beachtet werden soll. Ohne erhobenen Zeigefinger, aber auch ohne dieses „hey, Eltern sind voll doof und haben nie Recht", das mich bei solchen Büchern manchmal echt abstösst. Dafür immer mal wieder mit einem Augenzwinkern, einer (ich geb's ja zu) wirklich guten Zeichnung und – tara! – es gibt ein Signet, das auf ein Video hinweist, bei dem man diese Tipps nochmals in einem Video nachschauen kann (das nenne ich mal eine clevere LeserInnen-Bindung!).
Und dann kommt ein (für die Jugendlichen) unattraktives Thema: Lernen&Handy. Aber auch hier: Eine klare Meinung wird vertreten, es gibt eine Anleitung, wie die Jugendlichen testen können, wann und wo das Handy für sie (nicht) hilfreich ist und wieder: Kein erhobener Zeigefinger, aber auch kein Anbiedern. Aus der Praxis für die Praxis; die Kids werden ernst genommen, ihre Bedürfnisse gesehen und das Lernen wird weder schön geredet noch verteufelt. Gefällt mir gut. Echt. Bis jetzt.
Auch wenn das nächste Kapitel ganz nach Zauberstab klingt „Gedächtnistricks: Bringe dein Gehirn auf Hochtouren“, so ist hier für heute erstmal Schluss. Irgendwann in den nächsten Tagen geht’s weiter mit „Clever lernen“.
Vielen Dank fürs Dabeibleiben,
Nina Miodragovic – www.schlau-lernen.ch