Ich habe mir vorgenommen, das Buch „Clever lernen“ etwas genauer anzuschauen. Einerseits, weil es mich persönlich interessiert und anderseits, um meiner jugendlichen Klientel im Lerncoaching vielleicht ein gutes Buch empfehlen zu können, schliesslich hat sich dieses Buch ja die Jugendlichen als primäres Zielpublikum auserkoren.
Na dann, mal los:
Hmmmm. Ich mag keine Bücher, die einem das Blaue vom Himmel versprechen. Solche Bücher stelle ich grundsätzlich schnell zurück ins Bücherregal. Denn ans Christkind glaube ich genau so wenig wie an den grossen Zauberstab, der dann aus solch einem Buch rausspringt und alles wird einfach und locker und MACHT SOGAR SPASS!! (Verziehdasgesichtsmiley).
Und wenn ich den Klappentext von „Clever lernen“ lese, dann müsste ich zusätzlich auch noch an den Osterhasen glauben… Nun ja. Aber offenbar hat man ja Grundsätze, um sie immer mal wieder mit Schwung über den Haufen zu werfen. Statt „Clever lernen“ also zurückzustellen, drehte ich es um und…
„Liebe Eltern
Aufgrund des schönen Wetters habe ich mich ganz kurzfristig dazu entschlossen, übermorgen einen Ausflug...“
„Hallo Katharina, gut erreiche ich dich. Ich möchte dir nur kurz mitteilen, dass ich das Geburtstagsprogramm für morgen spontan umgestellt habe und wir mit den Kindern nun in den Zoo gehen. Könntest du Fabian mitteilen, dass er...“
„Guten Tag Herr Haxili. Könnten Sie Medim bitte mitteilen, dass er morgen doch nicht mit dem Fahrrad zur Schule kommen soll? Wir haben das Programm geändert und gehen stattdessen...“
Für die meisten Eltern sind solche Mitteilungen kein grösseres Problem, ausser dass das eine oder andere umorganisiert werden muss.
Dann gibt es aber auch Eltern, denen beinahe das Herz stehen bleibt bei solchen Informationen; Kinder, welche vom Aspergersyndrom betroffen sind oder auch einige Kinder mit ADHS, haben grosse Schwierigkeiten, sich auf Veränderungen einzulassen. So können nur schon Sporttage, Theaterbesuche, Projektwochen, Ausflüge oder auch nur vertauschte Fächer im Stundenplan diese Kinder an den Rand der Verzweiflung bringen (und damit auch die Eltern). Während sich alle andern unglaublich auf diese willkommene Abwechslung freuen, bedeutet nur schon die Ankündigung solcher Anlässe für diese Kinder zuerst einmal Stress.
"Wozu muss ich wissen, wie man das schreibt? Nach der Schule brauche ich das eh nie mehr und meine Lehrstelle als Koch/Dachdecker/Automatiker/... habe ich auch schon."
Solche und ähnliche Sätze höre ich häufig, wenn ich mit Jugendlichen über Sinn und Unsinn von Rechtschreibtraining spreche. Wenn ich dann über so wunderschöne Beispiele wie links abgebildet stolpere, muss ich einerseits immer wieder schmunzeln, anderseits wird es mir auch etwas weh ums Herz: Denn nach wie vor wird in unserer Gesellschaft Rechtschreibung als eine wichtige Fertigkeit angesehen, welche unbewusst häufig auch mit Intelligenz in eine Schublade gestopft wird. Hat jemand also Mühe mit Rechtschreibung, wird diesem Menschen häufig unterstellt, dass er dumm sei, auch wenn das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun hat. Und es wird erwartet, dass Jugendliche in der Lehre in der Lage sind, Arbeitsrapporte, Notizen und Mitteilungen in einigermassen korrektem Deutsch zu verfassen.
Daher macht es eben sehr wohl Sinn, Rechtschreibung zu trainieren. Und wenn dies individualisiert und hirngerecht gemacht wird, kann ein solches Training a) nicht nur Spass machen, sondern b) auch noch nachhaltig sein und c) wichtige Lernstrategien für anderen Lernstoff vermitteln.
Vielleicht stolpern Sie auch über eigensinnige Rechtschreibbeispiele in Ihrem Alltag? Ich würde mich darüber freuen, wenn Sie mir diese mailen würden!
Und noch viele andere Aussagen hört man häufig, wenn es um ADHS im Erwachsenenalter geht. ADHS ist nicht etwas, das einfach verschwindet oder das man „heilen“ kann (oder soll), das ist
wissenschaftlich und auch neurobiologisch belegbar (auch wenn immer wieder da und dort das Gegenteil behauptet wird). Aber mit dem Erwachsen werden verändert sich viel: Einerseits im Gehirn
selbst, anderseits auch in der Umgebung eines Menschen, so dass gewisse äusserliche Auffälligkeiten einer ADHS, wie zum Beispiel die körperliche Unruhe, im Erwachsenenalter besser kontrolliert
werden können.
Spricht man mit erwachsenen Betroffenen, hört man häufig folgende Aussagen:
Durch solche Aussagen wird schnell deutlich, dass auch erwachsene Menschen unter einer (unerkannten) ADHS leiden und unter Umständen schwer eingeschränkt sein können. Eine unerkannte ADHS kann „Folgekrankheiten“ (Komorbiditäten) mit sich bringen wie z.B. Depressionen, Schlafstörungen, Burnouts usw. Häufig werden diese als eigenständige Symptomatik behandelt; wird aber nicht erkannt, dass dahinter eine ADHS steht, kann daraus eine lange Odyssee entstehen...
Menschen mit einer ADHS haben aber auch ganz ganz viele Stärken;
Häufig wird eine ADHS im Erwachsenenalter erst sehr spät entdeckt, da nach wie vor auch von Fachpersonen viel zu selten in diese Richtung gedacht wird. Immer wieder passiert es, dass Eltern sich zu informieren beginnen, nachdem ein Kind von ihnen die Diagnose ADHS bekommen hat, und sich plötzlich mit der Frage konfrontiert sehen: „Und was ist eigentlich mit mir?“.
Besteht dann ein Leidensdruck im persönlichen oder beruflichen Umfeld, empfehle ich eine Abklärung bei einer spezialisierten Fachperson. Eine gute Abklärung kann vieles erklären und dann auch erleichtern: Je nach individueller Situation kann mit einer Psychoedukation, einem angepassten Coaching und eventuell mit einer Medikation viel verändert und erleichtert werden. Ziel einer angepassten Therapie ist es, dass Betroffene neue Strategien erlernen, damit ihr Alltag entspannter und einfacher wird und damit sie ihre Stärken und positiven Eigenschaften auch nutzen können.
Mehr Informationen, Adressen und Angebote findet man bei www.adhs20plus.ch
„Jetzt konzentrier dich mal endlich!“
Benutzen Sie diesen Satz so oder ähnlich auch immer mal wieder, wenn Sie mit Ihrem Kind lernen oder an den Hausaufgaben sitzen?
Weiss Ihr Kind überhaupt, was es tun soll, wenn es sich „konzentrieren soll“? Hat es je aktiv gelernt, wie es sich in eine konzentrierte Stimmung bringen kann? Denn leider gibt es keinen Schalter, den man einfach umlegen kann und schon ist man konzentriert.
Die meisten Kinder, welche Mühe haben, sich zu konzentrieren, haben nämlich keine Ahnung, was sie konkret tun sollen, wenn sie diesen berühmten Satz „jetzt konzentrier dich mal!“ hören. Wenn man sie danach fragt, sagen sie meistens etwas in der Richtung von: „Also, ich muss mich dann zusammennehmen und mir mehr Mühe geben.“ Aber mit Konzentration hat das noch nicht viel zu tun.
Konzentration ist die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes zu lenken und sich dann über eine bestimmte Zeit damit zu beschäftigen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, den Fokus wieder zurückzuholen, wenn man abgelenkt wurde.
All das kann man lernen und üben, denn alle Kinder und Jugendliche haben Themen, mit denen sie sich hochkonzentriert auseinandersetzen können. Meist jedoch sind das genau die Gebiete, denen die Eltern eh schon sehr kritisch gegenüber stehen: PC-Games, Game-Konsolen usw. Aber vielleicht versuchen Sie einfach mal, Ihr Kind aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, wenn es am Gamen ist? Nicht mit diesem ärgerlichen Gefühl von „da kann er sich ja konzentrieren, in der Schule will er nur nicht!“, sondern vielleicht eher mit einem Fokus von: „Wie sieht mein Kind aus, wenn es konzentriert ist? Was hat es für eine Körperhaltung?"
Konzentration kann man lernen. Den einen Kindern fällt dies einfacher als anderen, aber gerade Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten sollten meiner Meinung nach unbedingt in ganz aktiven Übungen lernen sich zu konzentrieren, aber sich dann auch wieder aktiv zu entspannen.
Ein erster Schritt könnte sein, dass Sie als Eltern in einer entspannten Situation mal versuchen, das Gespräch zu diesem Thema zu suchen: "Weisst du, was Konzentration ist? Komm, wir suchen nach Momenten, in denen du konzentriert bist. Wie fühlt sich das an? Wie merkst du, wenn deine Konzentration abgehauen ist? Was könntest du dann tun?"
Auch in einem Coaching kann man meist schon in wenigen Sitzungen gute Strategien entwickeln, damit Kinder lernen, ihre Aufmerksamkeit gezielt auf ein Thema zu richten. Denn gerade in der heutigen Zeit, in der Lernen eine Fähigkeit ist, die man sein ganzes Leben lang immer wieder braucht (sei dies in Weiterbildungen, firmeninternen Kursen usw.), lohnt es sich, diese Thematik ganz gezielt anzugehen.
Ich wünsche Ihnen und Ihrem Kind viel Spass auf ihrer Entdeckungsreise zum Thema Konzentration!